Wer wir sind – Kaufering

Oratorium »Wer wir sind – eine Schöpfungsmusik« begeistert in der Aula der Realschule Kaufering

von Andrea Schmelze, Landsberger Kreisbote vom 05.10.2021

Kaufering – Musikalische Antworten auf große Fragen der Menschheit gab es am Wochenende in der Aula der Realschule Kaufering. Nicht nur zu hören, auch zu sehen, zu erleben, zu spüren – und zu genießen. Unter der Leitung von Silvia Elvers begeisterte der Kinderchor DoReMi der Pauluskirche Kaufering, gemeinsam mit dem Theaterchor des Musikstudios Robinson und einem Kammermusikensemble mit dem Oratorium „Wer wir sind – eine Schöpfungsmusik“. Ein schönes Ende für alle Beteiligten, die sich so einigen Herausforderungen stellen mussten. 

„Dieses Konzert ist besonders“, sagt Silvia Elvers einführend zum Publikum. Die Idee dazu sei in einer Zeit entstanden, als sich niemand vorstellen konnte, das sich 70 Kinder und 200 Zuschauer gemeinsam für ein solches Event zusammenfinden. Trotzdem habe man davon nicht losgelassen. Zum Glück.

Wer sind wir? Wie leben wir hier auf unserer Erde? Was ist unsere Aufgabe im ‚Großen Ganzen‘? Mit keinen geringeren Fragen haben sich die rund 100 Chor-Kinder und -Jugendlichen in den letzten Monaten intensiv musikalisch beschäftigt. Mit der Schöpfungsmusik „Wer wir sind“, aus der Feder des Lüneburger Komponisten Daniel Stickan, haben sie sich auf die Suche gemacht nach Antworten. Und dabei die vier Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde von allen Seiten betrachtet. Mit allen Sinnen. Schließlich „bestehen wir aus den Elementen und leben durch sie“, so Stickan.

Die letzten eineinhalb Jahre waren aber nicht leicht für Chöre. Geplante Auftritte mussten abgesagt oder verschoben werden. Gemeinsame Proben waren nicht erlaubt. Die Kinder von DoReMi und die acht Mädchen aus dem Theaterchor des Musikstudios Robinson haben trotzdem gesungen: zuhause, in Online-Proben vor dem Bildschirm (der KREISBOTE berichtete). Real seien die ersten Proben erst ab Pfingsten wieder möglich gewesen, sagt Elvers. Am letzten Probenwochenende in der Pöttinger Halle kamen erstmals nach der langen Zeit alle Kinder zusammen. „Ein magischer Moment“, so Elvers. Alle hätten sich unglaublich gefreut. Auch über die perfekte Location: „Nicht nur die Kinder waren sofort verzaubert von Größe, Klang und Atmosphäre der Halle.“

Die Freude darüber musste schnell verfliegen – die Bombe platzte vor etwa einer Woche. „Da haben wir erfahren, dass die Pöttinger Halle als Location gestrichen werden muss“, berichtet Elvers. Man habe die Genehmigung zur Nutzung nicht erteilen können, heißt es seitens der Stadt Landsberg, da verschiedene Unterlagen fehlten. Welche das sind, bleibt offen. Ein Schock und eine große Enttäuschung für alle. „Hier hätte sich das Stück optimal entfalten können“, so Elvers. Jedoch sei man auch froh darüber gewesen, einen neuen Ort gefunden zu haben, die Aula der Realschule Kaufering. Allerdings nur ein Kompromiss: kleiner, schlechtere Akustik, weniger Charme. Vergleichbar mit einem „Schmetterling im Vogelkäfig“, sagt Elvers. Für die „unglaublich farbige Musik“ eher schwierig. Aber Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, blieb nicht, denn jetzt hieß es: umorganisieren, die ganzen Planungen eines Jahres auf den Kopf stellen. Die letzte Woche sei ein „Höllenritt gewesen“. Ganz neue Vorgaben mussten beachtet werden.

In der Aula dürfen die 100 Chorkinder nicht mehr alle gemeinsam singen, sondern werden auf beide Konzerte (Samstag und Sonntag jeweils etwa 70 Kinder) verteilt. Auch in anderer Hinsicht hieß es umdisponieren. Anderer Bestuhlungsplan, neue Brandschutzvorgaben. Statt echter Fackeln also rote und gelbe Chiffontücher für das Element Feuer. Absagen sei keine Option gewesen, meint Elvers. So viele Helfer hätten sich Tag und Nacht engagiert, um „das Ding zu retten“. Aber vor allem gehe es um die Kinder: „Wir haben es ihnen versprochen.“ Das habe nochmal unglaubliche Energien freigesetzt und einen riesigen Zusammenhalt gegeben. „Da ist es am Ende egal, ob es echte Fackeln sind oder Chiffontücher“, sagt Elvers. Recht hat sie.

Denn als es losgeht, ist das alles vergessen. Die Aula kann klein sein, die Kinder zum Teil auch – alles andere ist es nicht. Ein Konzert, so groß und so schön, mit dreistimmigem Gesang von unglaublicher Klarheit. Musik, die unter die Haut geht. Auch durch die Kompositionen von Daniel Stickan. „Einzigartig“, nennt Elvers sie. Weit entfernt von dem, was eigentlich für Kinder geeignet sei. Fast eine Zumutung, so Elvers, oder treffender: eine „Zutrauung“. Stickan traue den Kindern zu, sich mit großen Fragen der Menschheit zu befassen, Melodien zu erleben, die nicht beim ersten Hören ein Ohrwurm sind, sondern die sich tief in die Seele eingraben. Begleitet werden die Kinder von perfekt aufeinander eingespielten Musikern (Schlagwerk mit Pauke und Marimba, Klarinette, Kontrabass, Orgel und Klavier, das Stickan selbst bespielt).

Eine Erzählerin führt jeweils in die verschiedenen Elemente ein, die in ihren Eigenheiten schnell erkennbar werden, nicht nur durch Texte und Musik, sondern auch durch Geräusche und Optik. Ein Tenorhorn bläst den Sturm. Mit kleinen Metallrohren laufen die Kinder durchs Publikum und produzieren Wind, den man auch spürt – Luft. Ein Wasserbecken, das blubbert. Die Kinder singen vom Bächlein, silberhell und klar, und von der Taufe Jesu. Rotes Licht beim Thema Feuer. Stücke wie „Feuerreiter“ wirken mit viel Paukenschlägen gewaltig, kraftvoll. Die Kinder stampfen verstärkend mit den Füßen. Scheinwerfer blenden wie die Sonne, geben sogar Wärme. Grünes Licht beim Thema Erde. Hier geht es um Pflanzen, um Bäume, um Wachstum.

Eingebettet ist alles in einen Rahmen, der Gott und seine Schöpfung lobt und preist. Im Ganzen ist alles eine Einheit. Und eine Gemeinschaft: 100 Kinder zwischen sechs und 18 Jahren – jedes hat seine Aufgabe. Die einen gießen Wasser ins Becken, die anderen „blubbern“ mit einem Bambusrohr, wieder andere singen in der Gemeinschaft oder als Solo-Part ein ganzes Lied allein. „Wir sind ein Chor, wir machen das zusammen, jeder ist dabei gleich wichtig“, sagt Elvers.

Als Einheit sei das Stück auch konzipiert. Es könne seinen Bogen nur entfalten, wenn es den Applaus erst ganz zum Schluss gibt. Und der kommt – aber gewaltig. Ein Gänsehaut-Erlebnis, wie das Konzert selbst. Es ertönen Rufe nach Mehr: „Das Werk verträgt keine Zugabe“, sagt Elvers. Das sei einfach so. Ihre einführenden Worte haben sich derweil längst bestätigt: Dieses Konzert war besonders.